Rezension *20, Der Fänger im Roggen

Fakten:                                                                                                 Bewertung: ♥ ♥ ♥ ♥

  • Autor: J. D. Salinger
  • Art: Roman
  • Seitenanzahl: 156 (also sehr dünn)
  • Erscheinungsdatum: 1951
  • Erzählperspektive: Ich-Erzähler (Holdens Perspektive)

Inhalt:

Holden Caulfield ist schon wieder geflogen, diesmal von der Pencey High School. Screenshot_2018-04-08-11-50-12[1].pngKurzerhand beschließt er, in seine Heimatstadt New York zurückzukehren, um noch ein paar Tage dort zu verbringen, bevor er zu seiner Familie zurück muss, um ihnen die schlechte Nachricht zu überbringen. Er verliert sich im New Yorker Nachtleben, ist mal nachdenklich, mal unglücklich und findet seinen Platz in der Gesellschaft nicht. Alles ist ihm zuwider, die Leute sind ihm entweder zu einfach oder zu affektiert oder beides. Ein Mädchen das er mag, ruft er nicht an oder er kann sie nicht erreichen, jedenfalls findet er immer eine Ausrede. Er kann nicht vorwärts, geht aber auch nicht rückwärts, er bleibt einfach stehen, unschlüssig, was er mit seinem Leben anfangen soll. Bis ein Gespräch mit seiner kleinen Schwester Phoebe, in dem er sagt, er wäre in einem Roggenfeld, in dem tausende Kinder spielen, gerne deren Hüter, der sie vor Unheil bewahrt (also vor dem, was ihn in der „Erwachsenenwelt“ so anekelt), ihm die Augen ein wenig weiter öffnet und ihm neuen Schwung gibt.

Meine Meinung:

Die 20. Rezension ist also ein Klassiker, und wie das mit Klassikern so ist, liest man sie nicht ohne eine gewisse Erwartung. Je älter, desto schwieriger die Sprache, langatmige Stellen sind vorprogrammiert und die Charaktere lassen einen nicht so sehr in sich heran. Wie überrascht war ich dann schon nach den ersten paar Seiten von Holden Caulfield, der nichts mit den typischen Klassiker-Helden gemeinsam hat.

Salingers Sprache in diesem Buch ist durch und durch umgangssprachlich, gleichzeitig aber auch nachdenklich, eben im Rahmen eines 16-Jährigen, der irgendwo in der Gesellschaft verloren gegangen ist. Holden passt nicht in Eliteschulen, obwohl er nicht dumm ist. Das Schreiben liegt ihm, genauso wie das Nachdenken, was zu interessanten Erkenntnissen über seine Mitmenschen führt. Keine Phrasen (außer „und so“ oder „Das haute mich um.“, zwei Sätze, die öfter auftauchen und uns daran erinnern, dass Holden wirklich erst 16 ist), keine übertriebene Euphorie und ganz sicher keine Selbstverliebtheit findet man, wenn man Holdens Geschichte folgt. Es ist, als wäre man selbst Phoebe, seine Schwester, der er sein Herz ausschüttet und ihr von den wenigen Tagen erzählt, die das Buch ihn begleitet. Ja, so absurd manche Teile auch klingen, Holden Caulfield lebt, er ist eine echte Person und hat all das erlebt, die Partys, den Alkohol, die Mädchen, das Kino und das Theater. Die Taxifahrten und die Zigaretten, die verlogenen Mitschüler, New Yorks Unterwelt und die einsamen Nächte, all das ist wirklich passiert, in ein paar Tagen im Leben eines 16-jährigen Jungen, es kann gar nicht anders passiert sein.

Für sein Alter ist Holden wirklich schon sehr weit, allerdings merkt man es ihm doch manchmal an. Er ist impulsiv und gleichzeitig oft unsicher. Aber für sein Alter ist er auch sehr zynisch und schwarzseherisch, Phoebe bringt es ziemlich auf den Punkt:

„Du kannst überhaupt nichts ausstehen.“ Screenshot_2018-04-08-11-50-17[1].png

Für einen jungen Mann sind das nicht gerade gute Aussichten, aber tatsächlich bekommt man während des Buches den Eindruck, Holden wäre alles zu wider. Nur Kinder sind noch unberührt von den Einflüssen und der Langeweile der Erwachsenenwelt und sind es ihm deswegen wert, sie zu fangen, bevor sie aus dem Roggenfeld über eine Klippe laufen.

Am Ende des Buches musste ich an einen Satz denken: „Man sollte sich nicht wünschen, dass eine gute Geschichte weiter geht, denn wenn sie gut ist, ist sie gerade lang genug und darf nicht kürzer und nicht länger sein.“

Das stimmt wohl, aber hier fällt es dann doch schwer, Holden nach nur 156 Seiten allein zu lassen. Doch sagt er ja selber, das sei alles, was er jetzt erzählen will, dass er noch gar nicht weiß, was er in Zukunft genau tun wird, stellt nur einen kleinen Ausblick, mit dem sich der Leser zufrieden geben muss.

„Man sollte nie jemand etwas erzählen. Sonst fangen sie alle an einem zu fehlen.“

Du fehlst mir jetzt schon, Holden.

Ein Gedanke zu “Rezension *20, Der Fänger im Roggen

  1. Eine sehr gefühlvolle Rezension, durch die ich Holden doch etwas mehr anfange zu verstehen! – Ich war nämlich etwas verzweifelt, nachdem ich das Buch fertig gelesen beiseite gelegt habe. Danke, dafür. 🙂

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